
Wann wie stark an welchen Schräubchen drehen?
Wer von euch hat, wenn ihr euch im Büro vor den PC setzt, die Fräsmaschine hochfährt oder die Schulklasse betretet, einen ganz genauen Tagesplan? Vor allem einen, der dann auch bis Dienstschluss auf Punkt und Beistrich hält? Nein, so läuft das in den wenigsten Fällen. Die Mischung macht es aus: zwischen sorgfältigem Planen, schnellem Reagieren und klugem Improvisieren liegt die Formel fürs Gelingen – auch und gerade bei den Erfolgreichsten.
Abwechslungsreiche Tage in Ushuaia
Im Spitzensport erlebt man solche Unabwägbarkeiten tagtäglich. Jede/r weiß, wo er am Tag X stehen will, es gibt bei der Trainingssteuerung wichtige Erfahrungswerte und wissenschaftliche Erkenntnisse, die enorm helfen. Aber schlussendlich sind es gerade im alpinen Schisport die nicht beeinflussbaren Umstände, die dem Trainer- und Betreuerstab ebenso wie uns Athletinnen alles abverlangen und keinen Tag so aussehen lassen wie den anderen.
In Ushuaia – 13.000 Kilometer Luftlinie von zu Hause entfernt – haben wir uns auch heuer im August/September auf den Winter vorbereitet. Ich bin nun schon seit 2018 mit dabei an der Südspitze Argentiniens, und bei jedem Trainingskurs ist es anders. Das betrifft vor allem das Wetter, wie eben im Winter bei uns auch: Genau das macht es spannend, aber auch fordernd. Manche Tage sind geprägt von perfekten Bedingungen, an anderen heißt es: durchbeißen, Geduld haben, positiv bleiben. Jede Einheit ist wertvoll – und jeder gute Schwung zählt.
Schritt für Schritt Richtung Winter
Im Training geht es für mich darum, mich wieder Stück für Stück an den Rennrhythmus heranzuarbeiten. Dabei wechseln sich Technikarbeit, körperliche Grundlagen und das Herantasten an den Wettkampfmodus ab. Natürlich kostet das viel Energie und Konzentration, aber es ist auch eine wertvolle Phase, in der ich den Grundstein für die kommende Saison lege.
Material
Die Arbeit in diesem Bereich hat mit umfangreichen Tests schon im Frühjahr begonnen – unmittelbar nach den letzten Rennen. Auch ich habe mich in Absprache mit den Spezialisten von Rossignol und meinem Servicemann bereits für die Modelle entschieden, mit denen ich die wichtigen Rennen bestreiten will. Aber das war nur der Anfang: Jeden Tag arbeiten wir jetzt am Fein-Tuning: Schi-Bindung-Schuh-Körper müssen als Einheit funktionieren, das Finden der optimalen Einstellung ist angesichts ständiger wechselnder Bedingungen eine heikle Geschichte: Die Athleten vertrauen auf das Fachwissen, das handwerkliche Können und das Einfühlungsvermögen des Servicemanns, dieser wiederum braucht möglichst viele exakte und verwertbare Rückmeldungen ... Teamwork pur.
Athletik
Die Grundlagen haben wir uns bei unzähligen schweißtreibenden Einheiten im Sommer erarbeitet – aber damit ist es nicht getan: Gewissenhaftes Aufwärmen und Dehnen gehören regelmäßig in den Tagesablauf, aber auch Übungen im Kraft-, Schnelligkeits- und Koordinationsbereich müssen ständig wiederholt werden. Schlampigkeiten werden bei regelmäßig stattfindenden Tests schonungslos aufgedeckt.
Schitechnik
Vor dem Abflug nach Argentinien haben wir bereits in der Schihalle an der Grundtechnik gefeilt. Gerade auf leichten oder mittelschweren Pisten kann man Unsauberkeiten oder gar Fehler im Bewegungsablauf besonders gut erkennen– vielleicht nicht als „normaler“ Zuschauer, sehr wohl aber mit dem geschulten Auge des Trainers und dem Feingefühl von uns Athleten.
Auf den winterlichen Pisten in Ushuaia gehen wir langsam in den Wettkampfmodus über. In kurzen Läufen wird immer wieder geübt, es geht um Rhythmuswechsel, unterschiedliche Geländeformationen und Wetterbedingungen. Klar sind die unzähligen Wiederholungen zuweilen ermüdend, aber nur so kann man sich die Selbstverständlichkeit erarbeiten, die man im entscheidenden Moment so dringend braucht.
Wettkampfmodus
Auch gelegentliche Wettkämpfe gehören hier dazu– eine willkommene Abwechslung, die den Puls höher schlagen lässt und das Gefühl für den Rennmodus schärft.
Wie ihr vielleicht den Medien entnehmen konntet, finden hier in Ushuaia auch immer wieder Rennen zum Südamerikacup statt. Manche von uns lieben diese Abwechslung und brauchen den Adrenalin-Kick, ich bin da eher zurückhaltend. Aber einen Riesentorlauf habe ich doch bestritten, und die positiven Erfahrungen mit dem dritten Platz nach Laufbestzeit im zweiten Durchgang nehme ich gerne mit in die neue Saison. Im Riesentorlauf möchte ich ja auch im Weltcup wieder eine bessere Rolle spielen, aber dazu bei anderer Gelegenheit mehr...
Blick nach vorne
Jetzt will ich die letzten Tage hier in Ushuaia noch gut nützen, dann freue ich mich wieder auf daheim. Und bald geht es auf den Gletscher, der Saisonbeginn ist gar nicht mehr so weit weg. Bis dahin heißt es: konzentriert arbeiten, dranbleiben und die nächsten Schritte setzen. Ich halte euch auf dem Laufenden – wie auch meine treuen Follower auf Instagram und Facebook wissen 😉
Alles Liebe
Eure Katharina